Sonderreihe Retrospektive Michail Kalatosov

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Vier Meisterwerke des sowjetischen Films
Recherchiert man das Wirken eines sowjetischen Filmregisseurs, stößt man auf etwas, das man als „Paradigmatische Tragik“ bezeichnen könnte: der nach Freiheit dürstende Künstler und sein ambivalentes Verhalten in der Diktatur, um als solcher und als Mensch zu überleben. Ein großes Talent, mit großer Überzeugungskraft und einer intelligenten Form von Anpassungsfähigkeit – das ist eine Mischung, die sicher auch auf Michail Kalatosow zutrifft. Dennoch ist der Fall Kalatosow ein ganz besonderer.
Michail Kalatosow (georgisch: Micheil Kalatosischwili) wurde am 28. Dezember 1903 in Tbilissi (Tiflis), Georgien geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften, war Schauspieler, Cutter, Kameramann und zu Beginn seiner Karriere drehte er Dokumentarfilme. Nach seinem Meisterwerk DAS SALZ SWANETIENS (1930) warfen die sowjetischen Behörden ihm vor, im Widerspruch zur Staatsideologie zu stehen. Kalatosow durfte acht Jahre lang keine Filme mehr drehen und beschränkte sich auf Verwaltungsaufgaben in der georgischen Filmindustrie.
1936 wurde er für „Formalismus“ angeklagt und verhaftet. Letztendlich rettete der Regisseur sich selbst, verließ Georgien und wanderte nach Russland aus. 1939 wurde Kalatosow für eine kurze Zeit sowjetischer Filmattaché in Los Angeles. In den 1940er Jahren findet man seinen Namen neben Stalin. Seine Propagandafilme retteten Kalatosow nicht nur vor der Verbannung nach Sibirien, sondern machten ihn überdies zum stellvertretenden Minister der sowjetischen Kinoindustrie (1946-1948).
Mit seiner poetischen Ballade DIE KRANICHE ZIEHEN von 1957, gelang es Kalatosow dem sowjetischen Film in der ganzen Welt sein Ansehen wiederzugeben. DIE KRANICHE ZIEHEN wurde einer der größten Kinoerfolge im Westen: 1958 erhielt der Film in Cannes die „Goldenen Palme“, die Kalatosow nicht persönlich entgegennehmen durfte. Sartre, Picasso, Chaplin, Fellini und Kurosawa hielten ihn für einen der bedeutendsten Filmschaffenden. Aber er wurde nie in einem Zug mit Eisenstein, Dowschenko oder Pudowkin genannt.
1963 äußerte Kalatosow den Wunsch, einen Film über die Revolution in Kuba zu drehen. Der Kreml hatte keinerlei Einwände. Das Filmteam wurde in Kuba sogar auf höchster Ebene empfangen. Sowohl die sowjetische, als auch die kubanische Regierung erhofften sich, dass der Cannes-Festival Preisträger einen antiamerikanischen Film drehen würde. Aber Kalatosow drehte alles andere als einen antiamerikanischen Film. Bei der Premierenfeier von ICH BIN KUBA verließen die Vertreter des Staatsapparats den Saal. Der Film, der ästhetisch ganz in der Tradition des großen sowjetischen Revolutionskinos eines Eisenstein oder Pudowkin steht, landete kurze Zeit später im Moskauer Filmarchiv. In seinem letzten Lebensabschnitt produzierte Kalatosow DAS ROTE ZELT, einen aufwändigen Abenteuerfilm. Michail Kalatosow starb am 27.März 1973 in Moskau.
Interessant an Kalatosows Filmschaffen, das im Ausland nur echten Kennern bekannt war, ist vor allem das innovative Potential. Auf viele Filmschaffende, wie etwa Michael Ballhaus, hat er vielleicht sogar entscheidenden Einfluss ausgeübt.
Die Retrospektive ist chronologisch aufgebaut und präsentiert vier Filme, die Michail Kalatosow im Laufe seiner umstrittenen Schaffenszeit vollendete, wobei der Schwerpunkt auf seinen letzten Werken liegt.
(Irina Kurtishvili)